- Ausstellung: Nie erzählte Geschichten aus dem Ersten Weltkrieg
- Menschen in Dokumenten
Einleitung
Es waren nur einige wenige, die Tagebuch führten; die meisten bemühten sich nicht bewusst darum, ihre Erlebnisse für die Nachwelt festzuhalten. Aber Erinnerungen können vielerlei Formen annehmen, und viele Artefakte, die das Geschick der einfachen Leute dokumentieren, wurden der Öffentlichkeit durch das Projekt zugänglich gemacht. Einige - wie etwa das Soldbuch eines Soldaten - geben Aufschluss über dessen Aussehen oder darüber, wie lange er in der Armee diente. Andere Dokumente wie Lebensmittelkarten oder Bekanntmachungen erzählen etwas über die schwierigen materiellen Bedingungen, unter denen die Familie des Betreffenden leben musste. Oft liegt die Bedeutung in dem, was gerettet wurde – ein ganz bestimmter Zeitungsartikel, die Sterbeurkunde oder die Fotografie der Geliebten. Anhand der folgenden ausgewählten Geschichten wird deutlich, warum diese Papierfetzen und andere Erinnerungsstücke eine so große Rolle für manche Familien spielten.
Transportschein zur Behandlung
While it’s clear he was wounded in action, German soldier Erwin Schröter was one of the lucky ones.
Der deutsche Soldat Erwin Schröter wurde im Kampf verwundet. Aber dennoch durfte er sich zu den Glücklichen zählen.
Der einzelne rote Streifen auf diesem kleinen Transportschein zeigt an, dass seine Verwundung den Abtransport vom Schlachtfeld zu einem Verbandplatz oder Lazarett gestattete.
Der einem Gepäckanhänger ähnelnde Transportschein wurde an der Jacke verwundeter Soldaten befestigt.
Dieses Frühkategorisierungssystem ließ nur drei grundsätzliche Möglichkeiten zu. Zwei rote Streifen zeigten an, dass der Soldat so schwer verwundet war, dass er nicht bewegt werden konnte. Für die meisten bedeutete dies das Ende. Es war davon auszugehen, dass der Unglückliche dort, wo er lag, auch sterben würde.
Ein Streifen bedeutete, dass der Soldat zwar verwundet war, aber bewegt werden konnte. Und wenn gar kein Streifen vorhanden war, galt der Betroffene als „gehfähiger Verwundeter“ und war in der Lage, selbst zum nächsten Verbandplatz zu laufen.
Schröters Schein wurde im Februar 1915 ausgefüllt und weist ihn als Vizefeldwebel (Staff Sergeant) aus. Der Beitrag stammt von Dr. Margrit Behncke aus Berlin.
Husarenstück führt zum Verlust des ersten großen Kriegsschiffs
Die aufregende Geschichte von dem deutschen Passagierschiff, das sich durch die britischen Seesperren schlich und Minen legte, was zur Versenkung des ersten britischen Schlachtschiffs im Ersten Weltkrieg führte, wurde von dem deutschen Marineobergefreiten Rudolf Kämmerer in seinem Tagebuch festgehalten.
Die S.M. Berlin, ein zum Minenleger umgebautes Passagierschiff, lief am 17. Oktober 1914 mit 200 Seeminen beladen aus Wilhelmshaven aus. Unentdeckt umfuhr es Schottland, erreichte die Irische See und legte die Minen vor Tory Island.
Prompt lief das britische Schlachtschiff HMS Audacious am 27. Oktober nicht weit von Loch Swilly auf eine der Minen. Trotz mehrerer Versuche, das schwer angeschlagene Schiff abzuschleppen, sank dieses, ohne dass es allerdings Verluste unter der Mannschaft gab.
In seinem umfassenden, von farbigen Karten und Feldpostkarten veranschaulichten Bericht über das Husarenstück beschreibt Kämmerer, wie sein Schiff versuchte, nach Deutschland zurückzukehren. Doch die S.M. Berlin musste Hommelsvik bei Trondheim im neutralen Norwegen anlaufen. Dort wurde sie interniert und die Besatzung bis zum Ende des Kriegs festgehalten.
Diary of Rudolf Kämmerer
Soldaten auf dem Land in Luxemburg einquartiert
Trotz der Neutralität Luxemburgs marschierten deutsche Truppen im August 1914 in das Großherzogtum ein.
Für die meisten Luxemburger bedeutete der Erste Weltkrieg vier Jahre lang Entbehrungen und Lebensmittelknappheit. Andere schlossen sich als Freiwillige den Armeen der Entente an.
In der Luxemburger Ausstellung gezeigte Quittungen belegen, dass die in Koerich stationierten deutschen Truppen von den Bauern vor Ort Verpflegung, Unterkunft und Futter für die Pferde requirierten.
Eine mit Bleistift auf ein Stück Papier geschriebene Notiz lautete: „Bescheinigt von Herrn Henry Moes Empfang von Heu und Stroh für 12 Pferde in Koerich” und war von Erbprinz Josias zu Waldeck und Pyrmont unterschrieben, einem Leutnant, der später als hochrangiger SS-Offizier berüchtigt wurde.
Andere, von der Thillenvogtei – einem privaten Landmuseum in Wahl, das über eine umfassende Sammlung von Objekten des Ersten Weltkriegs verfügt – beigesteuerte Quittungen zeigen, dass 1914 drei Offiziere, 19 Feldwebel und 133 Gespanne bei Bauern einquartiert waren.
Als die deutschen Truppen im November 1918 schließlich aus Luxemburg abzogen, wurden die amerikanischen Soldaten willkommen geheißen, und Großherzogin Marie-Adélaïde musste infolge von Unruhen abdanken.
Die Quittungen stammen von der Familie Mamer aus Koerich. Sie hatten diese viele Jahre lang in einer Schachtel aufbewahrt, bevor sie sie dem Museum überließen.
Kriegsheld nimmt Andenken aus feindlichem Flugzeug mit
Diese aus den Trümmern des Propellers eines abgestürzten italienischen Flugzeugs hergestellte Schachtel gibt einen faszinierenden Einblick in die Heldentaten des mutigen slowenischen Piloten Julian Kenda während des Kriegs.
Der 22-jährige Leutnant der Reserve bei der 12. Einheit der österreichisch-ungarischen Luftwaffe flog insgesamt 29 Einsätze über den Schlachtfeldern der Isonzofront. Zwischen Juli 1916 und Februar 1917 war er an 15 Luftkämpfen beteiligt.
Kenda, der Italienisch sprach, wurde nach Mavhinje in Italien beordert, um mit der Besatzung einer italienischen Caproni Ca I zu sprechen, die am 3. Dezember 1916 von Baron Gottfried Banfield und Hauptmann Godwin Brumowski abgeschossen worden war.
Sprechen konnte nur der Leutnant; ein Unteroffizier wurde getötet und zwei Piloten verwundet. Kenda nahm einen Teil des zerstörten Propellers als Andenken mit. Später wurde daraus eine Geschenkschachtel angefertigt.
Der in Bovec geborene Kenda starb am 1. März 1917 im Alter von 23 Jahren. Mit ihm kam auch Unteroffizier Franz Neuwirthom um. Ihre Hansa Brandenburg C.I wurde in Brand geschossen und stürzte in Hudi Log, Slowenien ab.
„Witz”-Dokument zeigt Soldat bei der Entlausung
Eines der amüsantesten Stücke, die während der Ausstellung in Berlin gezeigt wurden, war der in Schwarz und Weiß gehaltene „Entlausungsschein“.
Dieses eher an eine Banknote aus einem Cartoon erinnernde spaßige Artefakt informierte den Inhaber darüber, dass er nunmehr sauber und frei von dem Ungeziefer der Schützengräben war. Eine Abbildung zeigt einen grinsenden Soldaten, der in ein altes Bierfass getaucht und von einem Kameraden unter Zuhilfenahme einer Gießkanne gewaschen wird.
Das mit Mai 1917 datierte Erinnerungsstück war wahrscheinlich nur innerhalb der Sanitätskompanie 235, einer Einheit der preußischen Sanitätstruppe, im Umlauf.
Der Beitrag stammte von Helga Berger, die uns auch die Ausstattungsliste ihres Verwandten Max Bergers überließ, der in englische Kriegsgefangenschaft geriet. Die im Jahr 1918 ausgestellte Karte gibt an, dass Berger eine Provianttasche, Kochgeschirr, eine Wasserflasche, zwei Paar Flanellunterhosen, ein Paar Hosenträger, eine Zahnbürste, zwei Paar Socken, Besteck und zwei Taschentücher mit Lazarettmuster erhielt.
Lehrer hält Andenken an seine Schüler lebendig
So groß war der Stolz des Lehrers Hans Hansen Lindorffs auf 71 seiner Schüler, die für das Deutsche Reich in den Ersten Weltkrieg zogen, dass er die Biographie jedes einzelnen von ihnen aufschrieb.
In einem Tagebuch mit dunklem Einband und eisernem Kreuz berichtete Lindorff in sauberer, gestochen scharfer Handschrift und deutscher Sprache detailliert über das Schicksal der 15 jungen Männer, die im Krieg umkamen. Es folgen 56 kürzere Einträge über ihre 56 Kameraden, die überlebten.
Die Schüler besuchten die Bæk Schule in Bæk bei Vojens in Südjütland, das damals zu Norddeutschland gehörte. Etwa 30 000 Männer aus der Region dienten während des Kriegs in der deutschen Armee.
Lindorff wuchs zwar in einer dänenfreundlichen Familie auf, war jedoch sehr auf das Deutsche Reich fokussiert, so seine Nichte Maja Christensen, die uns das Buch übergab. Auf der letzten Seite betont Lindorff, wie stolz er auf seine Schüler ist, dass sie alle tapfer kämpften, ihre Pflicht für den Kaiser taten und ihren Mann standen.
Inge Adriansen, Direktorin des Museums von Schloss Sønderborg, sagte: „Das heißt aber nicht, dass sie alle gerne in den Krieg gezogen sind.“
„Einer von ihnen versuchte, sich den Zeigefinger abzuschneiden, um nicht in den Krieg zu müssen. Einer schoss sich selbst in den Fuß, und ein anderer sprang sogar vom Scheunendach.”
Kriegsdokumente lösen Rätsel um fehlenden Finger eines Soldaten
Die Familie von William Rose Townhill hatte nach seiner Rückkehr aus dem Krieg stets angenommen, dass er den Ringfinger seiner linken Hand bei einer tollkühnen Heldentat im Ersten Weltkrieg verloren hatte.
Beinahe 100 Jahre danach aber zeigten Krankenhausunterlagen und sein Tagebuch, dass er den Finger in Wirklichkeit verlor, als er sich während eines Einsatzes in Frankreich eine Rauchpause genehmigen wollte.
„Die Pfeife meines Großvaters war kaputt gegangen, und er wollte sie mit einem Kupferrohr reparieren", sagte sein Enkel Alan Townhill aus Preston. „Er merkte zu spät, dass er dabei war, einen Zünder durchzusägen. Bei der Explosion verlor er seinen Finger.”
Der Kanonier und Fahrer der 34. Royal Field Artillery Division kam zwar nicht vor das Militärgericht, aber seinem Tagebuch ist zu entnehmen, dass er zwei Wochen lang keinen Sold bekam.