- Ausstellung: Der Erste Weltkrieg - Orte des Übergangs
- Das Hauptquartier
Einleitung
Im Ersten Weltkrieg spielt das Hauptquartier eine entscheidende Rolle und ist selbst Ort zahlreicher Übergänge. An keinem Ort treffen sich Ferne und Nähe zum Kampfgeschehen in solcher Ambivalenz. So ist das Hauptquartier der obersten Heeresführer einerseits so weit von der Front entfernt, dass Alltäglichkeit abseits der Kriegswirklichkeit möglich ist. Gleichwohl hat das Handeln der Generäle und ihrer Stäbe direkten Einfluss auf das Schicksal der Soldaten an der Front. Mit Verlauf des Krieges nehmen die militärischen Führer auch zunehmend Einfluss auf politische Vorgänge, indem sie etwa im zivilen Feldern und der Politik Entscheidungen treffen.
Mobilisierung
Im Verlauf des Kriegs werden die Hauptquartiere zu den zentralen Kommunikationsorganen. Sie informieren die Bevölkerung über den Musterungstermin in der Kaserne, den Fortschritt des Kriegsverlaufes und warnen vor flüchtigen Gefangenen aus den Lagern. Vor allem bei den Entente-Mächten, aber auch im Deutschen Reich, Österreich-Ungarn und ihren Verbündeten vollzieht sich dieser Wandel im Rahmen einer größeren Professionalisierung durch speziell gegründete Propagandaministerien oder Propagandadirektionen.
Je länger der Krieg andauert, desto mehr bestimmt er den Alltag der kriegsführenden Staaten und umso mehr Einfluss auf die politischen Entscheidungen erlangen militärische Entscheidungsträger. Während Zar Nikolaus II. in Sankt Petersburg vergeblich versucht, Kompetenzstreitigkeiten zu lösen, übernehmen im August 1916 mit Paul von Hindenburg und Erich Ludendorff zwei neue „Kriegshelden“ die Kontrolle über die wichtigsten Vorgänge im Deutschen Reich. Noch im selben Jahr wird ein breites Mobilisierungsprogramm auf den Weg gebracht, das als „Hindenburg-Programm“ bekannt wird. Der Einfluss der Obersten Heeresleitung weitet sich alsbald auch auf die politische Sphäre aus. Immer mehr gleicht das Deutsche Reich einer Militärdiktatur, die alles auf den Krieg ausrichtet. Diese im Deutschen Reich sich am deutlichsten zeigende Trend zur Militarisierung der Politik findet auch abgeschwächt bei den anderen Kriegsteilnehmern statt. So ist Georges Clemenceau ab November 1917 zugleich französischer Premier- und Kriegsminister.
Gefühlte Nähe
Abgesehen von König Albert I. und Kaiser Wilhelm II. halten sich alle Staatsoberhäupter und Heeresführer in sicherer Entfernung zum eigentlichen Kampfgeschehen auf. Dennoch folgen die Hauptquartiere dem Frontverlauf, um die Distanz so kurz wie möglich zu halten und eine direkte Kommunikation zu ermöglichen. So wechselt die deutsche Oberste Heeresleitung ihren Standort bis zum Kriegsende insgesamt sieben Mal. Direkte Nähe zum Soldaten bringen die zahlreichen Frontbesuche sowohl der Heerführer als auch der Staatsoberhäupter, die für einen Moralschub sorgen sollen.
Trotz der räumlichen Entfernung hängt das Schicksal der Soldaten an der Front von den Entscheidungen ab, die im Hauptquartier getroffen werden. Obwohl die obersten Kriegsherren mit festem Dach über dem Kopf und guten Mahlzeiten leben, während die Soldaten in Gräben nächtigen, genießen sie eine enorme Popularität. Auch die Tatsache, dass sie ihren Einflussbereich stetig ausbauen und somit das Leben in der Heimat stärker mitbestimmen, ändert dies nicht.
Räumliche Nähe ist auch zwischen den Hauptquartieren der Verbündeten zur Kommunikation entscheidend. So zieht die britische Oberkommando unter General Haig 1916 nach Montreuil nahe Paris, das deutsche Hauptquartier im Osten wird in Pleß, unweit des österreichischen Armeeoberkommando in Teschen, bezogen.
Am Verhandlungstisch
Anders als das Hauptquartier ist der Verhandlungstisch der Ort der Politiker, wenngleich dies freilich mehr für die Pariser Vorortverhandlungen als für den Frieden von Brest-Litowsk gilt. Wo im Siege die Militärs an vorderster Front teilnehmen, ziehen sie sich in der Niederlage wieder zurück. In die Verhandlungen mit Russland 1917 mischen sich die deutschen Heerführer Hindenburg und Ludendorff immer wieder ein und Kaiser Wilhelm II. muss zwischen ihnen und den politischen Verhandlungsführern vermitteln und schlichten. Anders im November 1918: Hier überlässt Hindenburg dem Politiker Matthias Erzberger den Vortritt, um den Waffenstillstand zu unterzeichnen.
Beide Friedensverhandlungen stehen unter Zeitdruck: In Brest-Litowsk drängen die Deutschen auf einen schnellen Abschluss, um ihre Truppen nach Westen verschieben zu können, während es in Versailles vor allem darum geht, die Wirtschaftsblockade gegen Deutschland schnell beenden zu können, um die angespannte Weltwirtschaft zu beruhigen.
1919 halten sich während des Verlaufs der Verhandlungen zahlreiche Regierungschefs über mehrere Monate in Paris auf. Die Situation ist aufgrund der schwerwiegenden Entscheidungen zwar meist angespannt, jedoch ist auch Zeit für allerhand Ausflüge und andere Freizeitbeschäftigungen. Nicht selten sind die Verhandlungspausen geprägt von anregenden persönlichen Gesprächen zwischen Premierministern, Königen, Journalisten und Lobbyisten.