Einleitung
Die Etappe bezeichnet den Bereich zwischen Front und Heimat. Es ist das Gebiet, in dem zwar keine Kampfhandlungen stattfinden, das aber militärisch besetzt ist. Im Ersten Weltkrieg befinden sich dort sowohl die rückwärtigen Dienste der Armee, die für die Versorgung der Streitkräfte verantwortlich sind, als auch die für die Besatzung zuständige Militärverwaltung. Die Etappe dient außerdem als Ort der Erholung für die Soldaten zwischen ihren oft mehrwöchigen Fronteinsätzen. Als Bindeglied zwischen Front und Heimat, zwischen dem Chaos des Krieges und der Aufrechterhaltung von Ordnung sowie zwischen ständig drohender Gefahr und simulierter Normalität ist die Etappe ein vielfältiger Ort des Übergangs.
Besatzung
Im Zuge der Besatzung wird eine Militärverwaltung für die eroberten Gebiete eingerichtet, die den Alltag und das Zusammenleben der Menschen in der Etappe regelt. In der durch das Chaos des Krieges hervorgerufenen Verwüstung soll sie im Rücken der kämpfenden Truppe für Ruhe, Ordnung und Sicherheit sorgen. Gleichzeitig soll das Vertrauen der okkupierten Bevölkerung gewonnen werden, auf deren Unterstützung die Besatzer angewiesen sind. Neben logistischen und administrativen Aufgaben ist die Militärverwaltung auch für die maximale Ausbeutung und Nutzung der in der Etappe vorhandenen Ressourcen zuständig. Dazu zählt neben den materiellen Gütern auch menschliche Arbeitskraft, die als Zwangsarbeit zur Ware wird.
Die bestehende Sozialordnung des Friedens muss an die Bedürfnisse des Krieges angepasst werden: Schulen werden zu Lazaretten, Kirchen zu Lagerstätten und Bahnhöfe zu Umschlagplätzen. Auch wenn in der Etappe, neben der Partisanenbekämpfung, keine Kampfhandlungen stattfinden, so ist der Krieg doch allgegenwärtig, zivile und militärische Welten verschmelzen. Der besetzte Raum und die darin lebende Bevölkerung werden auf den Krieg und die Kriegführung ausgerichtet; ein Prozess, der als Bellifizierung die gesamte Gesellschaft erfassen wird.
Freizeit
Zwischen den Fronteinsätzen bietet die Etappe den Soldaten einen scheinbar sicheren Zufluchtsort. Dort finden sie Erholung und Zeit zum Nachdenken. Sie haben die Möglichkeit, sich allein oder mit ihren Kameraden zu beschäftigen und können mit der Zivilbevölkerung in Kontakt treten. Die Etappe nimmt daher eine wichtige Brückenfunktion zwischen aktivem Kriegsgeschehen und simulierter Normalität ein.
Dabei ist das von offizieller Seite organisierte Unterhaltungsprogramm von enormer Wichtigkeit, denn regelmäßige Theateraufführungen, Kinobesuche und Veranstaltungen fördern das Gruppengefühl, halten die Soldaten bei Laune und ihre Kampfmoral aufrecht. Zugleich offenbaren sie die fließenden Grenzen zwischen Hierarchie und Ebenbürtigkeit, denn während im Frontkino „Korbsessel für die hohen und höchsten Offiziere der Division und hohe Gäste“ zur Verfügung stehen, halten diese auf Festen „bis zuletzt mit aus und tanzten mit jedem“.
Auch das regelmäßige Briefeschreiben und andere individuelle Beschäftigungen, wie die Pferdepflege, sind von zentraler Bedeutung. Sie verdeutlichen die Widersprüche zwischen blindem Funktionieren und eigenständigem Denken und Handeln. Zudem dokumentieren sie, wie die anfängliche Kriegslust wachsenden Friedenswünschen und anderen Sehnsüchten weicht.
So verändert sich in der Etappe auch die Beziehung zu Feind und Zivilbevölkerung. In Momenten der Einsamkeit kommt es darauf an, „eine Wohnung unter Menschen“ zu haben und ein deutscher Soldat in Frankreich bemerkt: „Befinde mich sauwohl, denn ich bin direkt ins Paradies geraten. Lieg mit den Pferden allein bei 2 Frauen, deren Männer 1 im Krieg und der andre in Holland gefangen [sind], in Quartier und lebe ‚bon‘.“
Rückkehr zur Ordnung?
Im Gegensatz zum Frontalltag wird das Leben der Soldaten in der Etappe wieder in geordnete Bahnen gelenkt. Ungestörte Nachtruhe und bessere Verpflegung ermöglichen es den Soldaten, sich von den Strapazen des Lebens an der Front zu erholen. Diese Phase der Regeneration ist notwendig, um die erschöpften Soldaten wieder kampffähig zu machen.
Die Zeit in der Etappe ist ebenfalls geprägt von der versuchten Rückkehr zum vermeintlichen soldatischen Idealbild, von dem sich die Soldaten während der Kampfhandlungen oft weit entfernt haben. Durch Bad, Rasur, Entlausung und Reinigung der Uniform wird das musterhafte äußere Erscheinungsbild zumindest für kurze Zeit wiederhergestellt.
Auch das Verhalten der Soldaten soll wieder militärischen Standards angepasst werden. So wird versucht, den in Schützengräben üblichen Alkoholkonsum in der Etappe mittels Verordnungen einzuschränken.
Freie Zeit hat der Soldat in der Etappe nicht: Die Erholungsphase muss sinnvoll genutzt werden und wird durchorganisiert, die Soldaten werden mit verschiedenen Arbeiten wie etwa dem Ausbessern von Schäden an ihrer Ausrüstung und Material beschäftigt. Ziel ist es, die Soldaten unter ständiger Kontrolle zu halten und die im Kampf abgestumpfte militärischer Disziplin und Ordnung wiederherzustellen. Ebenfalls zu diesem Zweck werden Truppenübungen durchgeführt, die von kampferprobten Soldaten allerdings oft als sinnlos und absurd wahrgenommen, wie der Tagebucheintrag eines britischen Gefreiten zeigt: „Had a bit more drill today. Must not forget how to form fours, very necessary in a trench 3 feet wide".